St. Petersburg gilt nicht ohne Grund als eine der wichtigsten Kulturstädte der Welt. Allen voran Museen wie die Eremitage, mit bedeutenden Kunstsammlungen und Ausstellungen europäischer Meister lassen keinen Zweifel für den Stellenwert der Metropole in Europa. Umso verwunderlicher ist, dass man nicht wie mittlerweile üblich, an das Brandenburger Tor die russische Flagge projiziert, und das auch noch abenteuerlich rechtfertigt. Ist uns Russland wirklich so fern, obwohl es uns eigentlich sehr nah sein müsste?
Zugegeben das Verhältnis zwischen Russland und der Europäischen Union steht spätestens während der Ukraine-Krise unter gehörigen Spannungen. Und die neue Betroffenheitskultur, die Landesflaggen zu Gedenken der Opfer von Anschlägen an jegliche Wahrzeichen wirft, nur um obligatorische Anteilnahme auszudrücken ist auch etwas fragwürdig. Vor allem wenn man sie inkonsequent und selektiv betreibt, wie beispielsweise Berlin. Das rechtfertigte man damit, dass man dies nur bei Partnerstädten täte, oder eben bei „besonderen Beziehungen“, wie bei dem Anschlag auf israelische Soldaten oder das Massaker in Orlando.
Man geht nicht zu weit, wenn man behauptet, dass Deutschland eine besondere Beziehung zu Russland, und vor allem zu St. Petersburg hat. Der Stadt, die die Wehrmacht einst dem Erdboden gleich machen wollte, und auf deren zerstörten Steinen die heute angegriffene Metro entstand. Es scheint fast so, als ob die Sanktionen gegenüber der Russischen Föderation auch zur Sanktionierung öffentlicher Diskurse führen. Mal ganz abgesehen von der Debatte um doppelte Standards im Hinblick auf den Umgang mit Terroranschlägen, je nach Anschlagsort und Ziel. Dass man die Flaggen des Jemen, des Iraks oder von Syrien vergeblich an den Wahrzeichen Europas sucht, damit haben sich die meisten schon abgefunden. Das mag auch teils durch die geographische und teils durch kulturelle Ferne begründet sein, wenngleich dies keine Rechtfertigung ist. Aber zu suggerieren man pflege zu Russland keine besondere Beziehung bleibt abenteuerlich.
Denn in Europa soll eine Diaspora der Angst geschaffen werden, ein diffuses Gefühl, das oft in politischen Aktionismus und in eben jener Polarisierung mündet. Wie jede Krise, birgt die Anschlagsserie, die Europa heimsucht auch eine entscheidende Chance: nämlich, dass der Kontinent enger zusammenrückt und seine gemeinsame Interessen herausarbeite, statt seine gegensätzlichen in den Mittelpunkt zu rücken. Aber das kann nicht mit vorgefertigten Kondolenztextbausteinen und Flaggenprojektionen geschehen, sondern mit Taten, die über diese notwendigen und richtigen Gesten hinausführen.
Kanzlerin #Merkel kondoliert Präs. #Putin: Meine Gedanken sind bei den Familien der Todesopfer + bei den Verletzten. https://t.co/tMruBetj3K
— Steffen Seibert (@RegSprecher) 3. April 2017
Der Anschlag auf St. Petersburg war zweifellos ein barbarischer Gewaltakt, der abermals Unschuldige aus der Mitte der Bevölkerung traf. Doch dieser Anschlag ist auch eine Herausforderung für die Union und eine Möglichkeit Russland in der Hoffnung auf Annäherung wieder eine offene Hand auszustrecken, ohne gleichzeitig sein sanktionstrotzendes Gesicht zu verlieren.