Es soll die vierte Amtszeit für Angela Merkel werden – man kennt sie, sie scheint schon immer da, und junge Leute können sich vielleicht noch an die Zeiten vor ihr erinnern, als Gerhard Schröder noch mit seinem Lachen im Biergarten glänzen konnte. Merkel ist die personifizierte Geduld, aber immer bereit sich auch neuen zu öffnen. Beispielsweise dem Neuland, mit all seinen Herausforderungen wie 360°-Kameras.
Sie vereint die Merkmale einer Eisernen Lady wie Theresa May, aber auch die einer fürsorglichen Mutter, die ihre Kinder in die Mündigkeit führt, in sich. Sie sieht sich Dinge an, wartet auf Aktionen der anderen um zu reagieren. Das Ganze ist nun sogar so weit, dass die besorgten Amerikaner sie als neue Anführerin der freien Welt preisen. Zugegeben, die Amerikaner neigten schon immer ein wenig zu pathetischen Äußerungen. Doch Merkel beweist ihnen, dass sie nicht falsch liegen, und thront auf Umfragewerten, die die SPD und Martin Schulz als vernachlässigbare Größe erscheinen lassen.
Es ist nicht leicht für den hochgehypten Gottkanzler Europas diesen Wahlkampf zu führen. Seine Partei hat selbst ein wenig ein Deutschland zu verantworten, in dem wir gut und gerne leben. Schulz ließ sich davon allerdings wenig beeindrucken und versuchte mit angriffslustigen Stichen in Richtung Merkel und Union das Ruder herumzureißen. Das gelang auch Anfangs und hatte viele Gründe. Leider war Schulz eher keiner davon. Er nutzte ein entstehendes Vakuum, das sich kurzzeitig aufgetan hat, aber dann auch genauso schnell wieder verschwand.
Tatsächlich hatte zu Anfang des Jahres die Union interne Kämpfe um eine PKW-Maut und eine Obergrenze für Flüchtlinge auszufechten. Doch bevor Seehofer wirklich ernst wurde, erkannte man wohl, dass ganz Europa am Nationalismus ertrinken drohte. So wurde Merkel schnell wieder zur Spitzenkandidaten der CSU – im Angesicht eines Geert Wilders und einer Marine Le Pen, die sich die Zerschlagung der EU auf die Fahne schrieben. Martin Schulz hatte zu dieser Zeit eine gute Chance zu punkten leider verpasst.
Stattdessen feuerte ihn der abstrakte Begriff der Sozialen Gerechtigkeit ein wenig ins Abseits. Während er brennende Reden für sozial Benachteiligte und Europa hielt, schaute sich Merkel das Schauspiel an, und ruhte sich auf der Eitelkeit ihres Kontrahenten aus. Tatsächlich hätte Schulz damals schon alles auf eine Karte setzen können indem er die Rot-Rot-Grüne Mehrheit im Bundestag sofort nutzt und den Koalitionsvertrag aufkündigt.
Schulz führte zudem ein politisches Amt, das den meisten deutschen fremd ist: das des Europaparlamentspräsidenten. Ein Parlament, das für die meisten in weiter ferne liegt, und eher durch seine Intransparenz statt seine Effektivität berühmt ist. Es wird Schulz umso schwerer fallen Merkel von ihrem Stammplatz auf der Regierungsbank zu drängen – aber der Stuhl Merkels ist durchgesessen und keinesfalls so stabil wie er scheinen mag. Die Umfragen mögen einen Untergang der SPD prognostizieren, doch es ist noch lange nichts entschieden.