Ein Lichtermeer rückt näher umgeben von tiefen Schwarz. Die Marmara See bestimmt über die Silhouette Istanbuls, nur hier und dort leuchtet eines der riesigen Containerschiffe am Highway des Bosporus. 2013 bot sich mir dieser faszinierende Blick zuletzt – auf die Stadt mit tausend Namen, die die Brücke Europas nach Asien bildet. Mein Ziel bleibt diesmal allerdings ein anderes: die Hauptstadt Georgiens südlich des Kaukasus.
Mein Flieger landet um 4:30 Uhr Ortszeit am Tifliser Flughafen. Bei all meinem Glück gerate ich natürlich wieder an dubiose Taxifahrer, die mich zu einem schwarzen Mercedes auf einem Parkplatz hinter dem Flughafen führen. Ich stelle mich während der Fahrt schon innerlich auf einen Faustkampf ein, falls sich mein Fahrer als ruchloser Verbrecher entpuppen sollte. Stattdessen muss ich ständig das Angebot einer Stadtrundfahrt ausschlagen. Am Ende sollte ich 35€ bezahlen – natürlich viel zu viel, aber ich dachte mir immerhin subventioniere ich damit deutsche Autos.

Durch eine recht glückliche Verkettung unvorhergesehener Ereignisse sicherte ich mir dann kurz nach meine Ankunft ein nettes Doppelzimmer mit Balkon für schlappe 600 Lari (zur Zeit ca. 190€). Pro Monat versteht sich. Meine Unterkunft gleicht jedoch eher einer Großfamilie, die füreinander sorgt. So brauche ich mir nie Gedanken um mein leibliches Wohl machen, denn sobald ich in die Küchentür einfalle, hat mein Freund aus Aserbaidschan schon wieder eine vielfältige Tafel voller Köstlichkeiten vorbereitet. Eine Chance sich auch nur selbst etwas kochen zu wollen ist kaum vorhanden. Neben deliziösen Speisen vom Südkaukasus gibt es alsdann auch immer Getränke aus Plastikflaschen. Häufig ist das allerdings kein Wasser – auch wenn der Aufdruck etwas anderes suggeriert – sondern Chacha, Brandy oder hausgemachter Wein. Anfangs war ich noch skeptisch, weil mir mein Augenlicht doch ganz lieb ist, mittlerweile kann ich mich kaum mehr dagegen wehren, dass man mein Glas bis zum Rand gefüllt wird. Gastfreundschaft muss man eben auch akzeptieren.

Wie es in den ersten Tagen für mich üblich ist, versuchte ich mir natürlich einen Überblick über die Stadt zu verschaffen, und zumindest die wichtigsten Sehenswürdigkeiten abzugrasen. Und wie es auch für mich üblich ist, landete ich schnell an Orten, an denen noch nie ein Ausländer gesehen wurde. Ich war ein Magnet für Blicke, die von Neugier bis territorialer Markierung reichten. Die Entscheidung in welchen Hinterhof ich vorstoßen konnte war folglich nicht immer ganz gewiss. Aber schnell war mir in dieser Stadt klar: hier herrscht pures Kontrastprogramm. So lief ich mehrere Kilometer vom Stadtrand Richtung „East Point Mall“. Auf dem Weg fand ich alte, bröckelige Sowjet-Bauten und prachtvolle Glaskonstruktionen, die nur so vor Repräsentation strotzten. Während am Straßenrand die Menschen allerhand Lebensmittel für kleines Geld verkauften, stand ein paar Kilometer weiter eine riesige Konsumhalle von Carrefour, die man selbst auf den Namen Hypermarkt taufte.

Ich bin jedoch nicht nur hier um planlos durch Tiflis und seine Ausläufer zu irren. Denn ich habe für zwei Monate die Ehre in den Staatsdienst treten zu dürfen – an der Deutschen Botschaft in Tiflis. So toll sich das im ersten Moment anhört, so fragen sich die meisten oft kurz danach, was so eine Auslandsvertretung Deutschlands eigentlich alles für Aufgaben wahrnimmt. Denn die Zahl verzweifelter Deutscher, die in Georgien ihren Pass verlieren ist auch reichlich gering. Nein, die Tätigkeiten der Botschaft sind vielfältig, erstrecken sich von Wirtschaftlicher Zusammenarbeit über politische Kontaktpflege hin zum kulturellen Austausch. So durfte ich mir beispielsweise schon einmal das georgische Parlament von innen ansehen, das Europäische Jugendparlament in Tiflis begrüßen und allerhand nette Menschen kennenlernen, die von den verschiedensten Ecken der Erde kommen.

Dass Deutschland in Georgien äußerst engagiert ist, ist kein Geheimnis. Schon die Historie hat eine gute Grundlage für eine freundschaftliche Beziehung zwischen uns und Georgien geschaffen. So wanderten vor 200 Jahren Siedler aus dem Schwabenländle aus und gründeten südlich der Hauptstadt das Örtchen Katharinenfeld, das heute auf den Namen Bolnissi hört. So kann es durchaus geschehen, das man sich am Rande Asiens ganz selbstverständlich in einem gepflegten schwäbisch verständigen kann. Als vor 25 Jahren Deutschland dann auch noch Georgien als erstes als Staat anerkannte, war wohl kaum eine andere Zukunft als Freundschaft möglich.

Diese Freundschaft zeigt sich auch immer wieder deutlich. So lief der ein oder andere wahrscheinlich schon mal wie ich – ohne große Hintergedanken – über den Tblisser Platz in Saarbrücken. Wahrscheinlich genauso wie viele Georgier, die hier – ohne große Hintergedanken – in Tiflis über den Saarbrücker Platz laufen. Allerdings kann ich mir jetzt vorstellen, dass jeder Georgier, der in Saarbrücken über den Tblisser Platz läuft, sich wohl genauso wie Ich freut, wenn ich über den Saarbrücken Square spaziere. Ob es sich bei der Anschaffung alter Deutscher Drehleitern für Baustellen um eine Freundschaftsgeste handelt, oder um eine eher praktische Lösung, muss ich hingegen noch in Erfahrung bringen.
Eines bleibt jedoch sicher: die nächsten Wochen werden spannend und werden noch von der ein oder anderen Reise begleitet. Dieses Land ist wie große Wundertüte, an jeder Ecke lauert eine Überraschung. Und sei es nur ein Taxifahrer, der einen netterweise um die letzten Euros bringt. Hier bezahlt man schließlich mit Lari.