Das morbide Gesicht der Wälder, der weiße Schimmer, der über den kargen Baumkronen liegt, regt doch immer wieder zu Ende des Jahres dazu an ein wenig innezuhalten und das Jahr zu resümieren. Ein blasser Ausschnitt dessen, was die letzen 365 Tage im Gedächtnis hängen blieb, von Freude und Trauer, vom Erfolg und Scheitern. Und je älter man wird, desto mehr muss man nachdenken, ob dieses und jenes denn im letzten Jahr passiert ist oder doch schon wieder drei Jahre her ist.
2018 war abermals ein sehr reiseintensives Jahr, geprägt von vielen neuen Eindrücken, aber auch zahlreichen Umbrüchen. Nicht nur persönlich, sondern auch politisch und gesellschaftlich. Bilder und Worte gingen um die Welt, über manche lachte man, über manche staunte man, wieder andere brachten einen an den Rand der Resignation. Und ebenso setzte man selber Bilder und Worte in die Welt. Über Reisen, über Politik, über Gesellschaft und über ganz persönliche Gedanken, die einem so im Laufe der Zeit durch den Kopf schwirren.

Beginnen wir mit den Reisen. Im März machte sich eine mutige Truppe Saarländer inklusive mir auf den Weg nach Grenoble um einen unseren tapferen Kumpanen in seinen Auslandssemester zu besuchen. Der Weg wurde in Mannschaftsstärke in einem stilechten blauweißen Ford Transit angetreten. Vor Ort durften wir zu fünft auf zehn Quadratmetern unser Luxusquartier beziehen. Auch für die Verpflegung vor Ort war gesorgt – vor allem Rucola sorgte für kulinarische Abwechslung auf unsere Baguettes. Ansonsten versuchte ich mich mal wieder am Skifahren. Tiefschnee und Ich pflegen weiterhin unsere Hassliebe. Ich nahm mir dann aber doch einen Tag und erkundete Grenbole und wurde nicht enttäuscht. Freier Eintritt in Museen, ein erklommenes Gipfelkreuz, alte Festungen und verrückte Sportler, die die Treppe zur Festung auf und ab liefen. Grenoble sollte man mal gesehen haben.
Kaum zurück ging es schon wieder weiter. Nach Amsterdam, der Stadt der Freiheit, Toleranz, des legalen Drogenkonsums und der käuflichen Liebe. Wenn man allerdings deutsche Kneipenkultur gewohnt ist und dann noch außerhalb der Saison unterwegs ist kann man an seine Grenzen stoßen. An seine Grenzen gestoßen ist jedenfalls auch ein Rentner, der seine Lungen mit dem grünen Gold füllte und vor unseren Augen seine Fähigkeit zu gehen verlernte. Aber auch beim zweiten Besuch dieser schönen Stadt hab ich es nicht geschafft mir eine nette Grachtenfahrt zu suchen. Als Trost gab’s dann einen Besuch bei Heineken und massig Fischbrötchen.
Die nächste Reise führte mich einige Monate später in die warmen spanischen Gefilde. Ein waschechter Roadtrip, wie man ihn sonst nur aus Ausreißer- und Vagabundenfilmen kennt, von Süddeutschland bis zum südlichsten Rande Spaniens. Unterwegs hielten wir in Bordeaux, Madrid, Carcasonne, Narbonne, Barcelona, Granada, Gibraltar und ließen uns einige Tage in einer Villa in der Nähe von Sevilla nieder. Und als ob das nicht schon für zwei Wochen gereicht hätte brachten wir noch eine Flusswanderung und eine 2000-Höhenmeterwanderung hinter uns. Es soll uns ja schließlich keiner unterstellen, dass wir ganz dekadent nur unseren Infinity Pool genossen hätten. Oder die Ein-Liter-San-Miguel Flaschen für ein Euro pro Stück, im Volksmund auch Literbombe genannt. Oder die deliziösen Festmahle vor einem wunderbar mediterranen Panorama. Die Liste könnte man um einige Zeilen verlängern, doch sie würde nur Neid und Missgunst schüren und ein verzerrtes Bild von Spanien liefern. Denn dieses Land kann durchaus gefährlich sein. So wurde ich von einer spanischen Rentnerin an einer Tankstelle attackiert, als ich die staubbedeckten Scheiben unseres Fuhrparktes säuberte. La mujer loca sorgte für einige Erheiterung bei den anderen Kunden und für Fassunglosigkeit in meinem Gesicht als sie mir einen Wischer aus der Hand riss und quer durch die Tanksäulen hindurch warf.

Etwas gastfreundlicher wurde ich dann einige Monate später in Georgien empfangen. Ich traf einige alte Freunde und kaum angekommen luden mich alte Kollegen von der Botschaft zum Empfang anlässlich des Tages der Deutschen Einheit ein. Mit Blick über Tiflis und einem Champagner in der Hand wurde meine Sehnsucht, die sich fast ein Jahr angesammelt hatte, schnell weggeweht. Nachdem ich dann an einem Abend wieder einen Berg an Visitenkarten sammelte stieß ich zurück zu unserer Gruppe und durfte atemberaubende Landsschaften, hervorragen Essen und viel zu viel Cha Cha genießen. Letzteres hat nur indirekt etwas mit Tanzen zu tun. Über den phänomenalen Ausblick auf den Kasbeck im Norden ging unser Weg dann in das südliche Grenzgebiet zu Aserbaidschan. Hier stießen wir nach einer kleinen Wanderung auf alte Höhlenklöster und eine schier unendliche Steppe. In Kachetien eroberten wir einige Weingute und gewöhnten unsere Gaumen an den traditionellen Qveri-Wein. Zurück in Tilfis erwartete uns ein Stadfest, das vor allem einen universalen Schaschlickgeruck über der Stadt ausbreitete. Aber auch eine kleine Erkundungstour in die orthodoxe Prachtkathedrale und in das Tifliser Nachtleben durfte nicht fehlen bevor es zurück in das verregnete Deutschland ging.
Neben all den Reisen bleibt kaum noch Zeit für anderes muss man denken. Das stimmt auch, was mir wieder vor allem auf der Zielgerade meines Studiums in diesem Jahr einen Hausarbeiten und Thesismarathon bescherte, der nicht gerade zum Erhalt meiner lichten Haarpracht beisteuerte. Doch beides wurde gemeistert, und ich durfte in meiner Abschlussarbeit Fotografien des Krimkrieges aus dem 19. Jahrhundert untersuchen. Während ich nun auf des nächste Semester warte, da stimmt einen die Zwischenzeit umso nachdenklicher. Ein Abschnitt ist beendet, vieles wurde getan, einiges geleistet. Wo soll die Reise hingehen, welche Weichen stellt man wie, welche Tür öffnet man, welchen Weg schlägt man ein und wie viele Metaphern gibt es eigentlich, die Untentschlossenheit thematisieren? Ja Umbrüche gehören zu abgeschlossenen Abschnitten eben einfach dazu.
2018 war auch ein Jahr in dem ich einiges in meine Soft und Hard Skills investiert habe. Musik, Fotografie und Video nahm ich in Angriff, wenn auch mal wieder nicht in dem Maße wie ich es mir vorgenommen habe. Aber es sind immer zwei kleine Videos aus Andalusien fertig geworden und eine ganze Reihe von visuellen Impressionen zieren meine (analogen) Fotogallerien. In meinem Studiendomizil Gießen habe ich wieder durch und über die Musik viele neue Menschen kennenlernen dürfen und tolle Jamsession mitgestalten können. Man könnte fast sagen, dass mein kreativer Geist in diesem Jahr seine Reinkarnation feierte.
Es waren eben wieder 365 Tage, manch einer ganz speziell, manch einer recht ähnlich Netflixintensiv wie der andere. Und auch wenn ich kein Freund von Neujahrsvorsätzen oder ganz generell von Plänen bin, so habe ich mir im neuen Jahr ein kleines Projekt vorgenommen. Ich brauche nur noch einen neumodischen instagramverträglichen Namen, doch der Grundgedanke dahinter ist es, jeden Tag ein mehr oder minder aktuelles Foto mit einer Geschichte oder einer besonderen Ästhetik zu teilen, Barrieren zu überwinden, Menschen zu erreichen und vielleicht ein Stücken näher zusammenzubringen. Wahrscheinlich wäre es ein erreichbareres Ziel eher zehn Kilo abzunehmen, aber Dinge die einfach sind, sind in der Regel falsch.
Zum Ende eines jeden Jahresrückblicks bleibt eigentlich nur noch der obligatorische Dank, an all jene, die dieses Jahr mit so viel Leben, Liebe und Erinnerungen gefüllt haben. Und natürlich mit lustigen Promillgeschichten, peinlichen Sprachnachrichten und Fotos.