Nach zwei Jahren, die viele am liebsten aus Ihren kollektiven Gedächtnis tilgen möchten, wird es Zeit aus dem Winterschlaf zu erwachen und auf das vergangene Jahr zu blicken. Während ich auf meinen letzten Rückblick von 2019 zurückschaue, scheint die Welt in den letzten Monaten wieder ein wenig mehr aus den Angeln geraten zu sein. Krisen, Krieg und Krankheiten bestimmten die vergangenen Jahre die Nachrichten und haben uns alle betroffen. Aber es gab auch Lichtblicke.
Um ein wenig die Windungen meines Werdegangs der letzten Jahre nachvollziehen zu können, müssen wir auf die pandemiegeplagten Jahre 2020 und 2021 zurückschauen. Frisch erholt von meiner Sprunggelenksfraktur begann ich neue journalistische Projekte, wollte Reportagen fotografieren und entdeckte meine Leidenschaft zum Film.
2020-2021 im Schnelldurchlauf
Auch meine akademische Karriere befand sich im Umbruch: nach einem eher bescheidenen Jahr kehrte ich der Justus-Liebig-Universität den Rücken. Ich begann mein Studium an der Technischen Hochschule Mittelhessen am Fachbereich Mathematik, Naturwissenschaften und Informatik. Aber keine Angst, es ist nur ein Master of Arts im Studiengang „Technische Redaktion und Multimediale Dokumentation“ (kurz: trmd). Mein Timing hätte nicht besser sein können – kurz vor Studienstart folgte der erste Lockdown. Und damit wundervolle Wochen im virtuellen Raum im so gut ausdigitalisierten Deutschland. Zwischenzeitlich erhielt ich sogar ein Rotary-Stipendium für ein Auslandssemester in Schottland, aber auch hier machten mir dann zuerst Corona und dann der Brexit ein Strich durch die Rechnung.
Ich erinnere mich noch gut an den letzten Abend in Freiheit, als ich ein Event im Gießener AK44 fotografierte und mit den Ausrichtern Pläne für die nächsten Veranstaltungen schmiedete. Auch sonst öffneten sich viele neue Türen für mich, als ich in die Welt der Videografie, Startups und Livestreams eintauchte. Ich begann 2020 einen neuen Job am Technologie- und Innovationszentrum in Gießen, lies mich in alles rund um Filmtechnik ein und verbrachte Stunden und Tage im Studio, wo ich an Broadcastingtechnik schraubte. Nach langen Hadern gründeten wir dann im Jahr 2021 unsere Produktionsfirma Mindlapse Media. Die ersten Aufträge flatterten rein, wir organisierten einen soliden Livestream im Wetzlarer Stadion mit mehreren zehntausenden Zuschauern beim Fast Arms Fast Legs und konnten bei Dreharbeiten oft hinter spannende Kulissen blicken.
Je mehr man in die Welt der freien Wirtschaft eintaucht, desto mehr sehnt man sich jedoch dem kreativen Ausgleich. Nach Projekten, die sich einem guten Zweck verschreiben. Sowas würde man heute wohl neumodisch als „Impact Jobs“ beschreiben. Mit Running for Children konnte ich wohl einen meiner größten Träume der letzten Jahre verwirklichen. Mit der Kamera in der Hand etwas gutes tun. 2022 kam dann der erste Höhepunkt meiner Filmkarriere – ein Dokumentarfilm mit Kinopremiere.

Januar – 31.000 Euro für die Kinderhospizarbeit
Man nehme einen Läufer, einen Transporter und zwei Verrückte mit Kameras die ihn damit quer durch Deutschland über zwei Wochen begleiten. Ende 2021 durften wir Sven Franke auf seiner großen Deutschlandtour mit „Running and Cycling for Children“ hautnah begleiten. Nach zwei Jahren Verletzungspech und organisatorischen Hürden konnten wir endlich loslegen. 1700 Kilometer von Flensburg mit kurzen Abstecher nach Österreich zurück nach Gießen. Es waren mit die eindrucksvollsten und anstrengensten Tage der letzten Jahre. Dachte ich.
Als im Januar dann der Schnitt unseres Films in die Endphase ging, aktivierte sich mein kreativer Tunnelmodus. Der bestand hauptsächlich im polyphasischen Schlaf, einem gefährlichen Gemisch aus Kaffee- und Bierkonsum sowie vernachlässigter Körperpflege um die maximale Bildschirmzeit pro Tag zu knacken. Der Aufwand sollte sich lohnen und am 24. Januar durften wir unsere Premiere im Kinopolis mit 250 Gästen feiern. Und die ganze Aktion diente natürlich dem guten Zweck: wir konnten dank Svens Engagement 31.000 Euro an Spenden für die Kinderhospizarbeit sammeln. Den Film könnt ihr euch übrigens hier ansehen und gerne Running for Children unterstützen.
Februar – Corona und Krieg
Als ich am 24. Februar frühmorgens auf dem Weg nach Leipzig war, lief mein Handy mit Push-Nachrichten heiß. Ich war an das kleine Display meines Telefons gefesselt und konnte kaum glauben welche Meldungen darüber flogen. Meine ganze Zugfahrt versuchte ich zu verstehen was passierte – eine Invasion in Osteuropa in diesem Ausmaß weckten mich schnell aus dem Schlaraffenland eines behüteten Mitteleuropäers.
Eigentlich wollte ich in Leipzig Musikvideos drehen und alte Freunde besuchen. Neben den aufkeimenden Konflikt im Hinterkopf hatte ich mir aber auch direkt beim ersten Besuch einen Coronakontakt eingefangen – man glaubt es heute kaum, aber damals war das tatsächlich noch ein Thema. Also liefen alle weitere Treffen und Drehs auf den Außenbereich hinaus – ich machte das beste aus der Zeit, aber mit der Ungewissheit einer Infektion trotzt negativer Tests war meine Reise mehr von Isolation geprägt. Aber ich konnte trotzdem ein paar kleine Videos zusammenbasteln. In Gießen zurückgekommen hat Corona dann doch endgültig zugeschlagen. Eine Woche in Isolation mit milden Symptomen erschienen mir im Angesicht der weltpolitischen Lage als Luxus.
März – Laufen, Filmen und Berlin
Nach überstandener Infektion wurde es wieder Zeit an meiner Sportlerkarriere zu arbeiten. Motiviert von all der Sportlichkeit um mich herum, entschloss ich mit dem Laufen durchzustarten. Ein Wettkampf mit Halbmarathon-Distanz sollte ich dieses Jahr schon schaffen. Also half nur eins: Laufen, laufen, laufen. In der Zwischenzeit durfte ich aber auch das eine oder andere kreative Projekt weiterverfolgen.
Eines davon führte mich in die Hauptstadt. Ich war schon lange nicht mehr in Berlin, aber je öfter ich dort bin, desto eher finde ich Frieden mit diesem Moloch von Großstadt. Vor allem wenn ich mit meinem Lieblingsmusiker Simon Wyer Fotos und Filme kreieren darf. Aber auch die THM hatte mich mittlerweile in die heiligen Hallen der studentischen Knechtschaft aufgenommen und mich für die Kameraarbeit am Imagefilm der Hochschule auserkoren.
April – Messehallen, Hochzeiten und Tonstudios
Im April durfte ich endlich wieder seit sehr langer Zeit eine Hochzeit fotografieren. Ich muss ehrlich zugeben, ich haben den Nervenkitzel ein wenig vermisst. Den Druck, alle Motive einzufangen und den richtigen Moment abzupassen um zwei Menschen eine Erinnerung an diesen Tag in ihrem Leben festzuhalten.



Anscheinend hat sich im halben Land derweil herumgesprochen, dass man mich überall mit einer Kamera in der Hand hinsetzen kann. So auch bei den Gießener Tagen des Roundtable Gießen. Ein bisschen musste ich mich schon schämen, dass ich seit etlichen Jahren in dieser Stadt umherschwirre und noch nie etwas davon gehört hatte. Die Idee ist jedoch simpel und genial: die Leute können ihren Trödel abgeben, der dann am nächsten Tag von vielen freiwilligen Helfern für einen guten Zweck veräußert wird. Und was soll ich sagen, ich tue gerne Gutes und hab mich nicht lange bitten lassen.
Weiteres Highlight dieses Monats war definitiv mein Besuch im Raum 103, einem Tonstudio in Darmstadt. Dort wurde der meines Erachtens bald weltberühmte Song „Keep Me“ aufgenommen. Ich durfte mal wieder mit der Kamera dabei sein und auf Instrumenten klimpern, die ich sonst nur aus der Thomann-Galerie kenne.

Mai – Events und Durchdrehen
Der Sommer begann langsam aber sicher und damit auch mein nächstes Lebensjahr. Während ich mich fragte, was aus 25 und 26 geworden ist, steht mittlerweile die 27 da und immer wenn mich jemand fragt, wie alt ich bin rattert in meinem Kopf diese Rechenoperation: aktuelles Jahr – 1995. Und je älter man wird, desto mehr treten tatsächlich die Szenarien ein, über die ältere Menschen allzugerne philosophieren. Ja das Spiegelbild wird morgens unangenehmer und langen Nächte steckt man nicht mehr so gut weg. Aber sind wir ehrlich – Veränderung ist ein langer Prozess und die ein oder andere lange Nacht lässt sich selten vermeiden.
So landete ich dann auch mal wieder auf ein paar Abendveranstaltungen mit feinster elektronischen Musik unter freiem Himmel. Aber gleichzeitig ruhte die Arbeit natürlich keineswegs. Ich verbrachte die Nächte vor schallernden Boxen und die Tage hinter der Kamera und spannenden Kulissen – beispielsweise bei Maschinenbauern oder renommierten Lichtherstellern.


Juni – Festivalsommer und gen Frankreich
In diesem Sommer stand ein weiteres Debut an – meine Fahrt zu Rock am Ring. Traditionsgemäß gibt es ja für mich jährlich ein Festival in der Heimat, aber das was am Nürburgring aufgefahren wurde war ein ganz anderes Level. Drei Nächte im General Camping, also übersetzt dem Platz fürs gemeine Volk, verlangten einem eine unheimliche physische und psychische Resilienz ab. An Schlaf war selten zu denken, Bluetooth-Boxen mit Hits aus den 2000ern trieben permanent ihr Unwesen, verlorene Gestalten verhedderten sich in Zeltschnüren und der Ackerboden stach in den Rücken. Doch Festivals wie dieses sind abgesehen vom 300-Euro-Ticketpreis der pure Kommunismus. Man hilft sich gegenseitig, sei es beim Aufbau von Zelten oder dem Tausch von Dosenbier in feste Nahrung. Und musikalisch bekam man ebenso einiges geboten.



Nach einer erwartungsgemäßen aber glücklicherweise kurzen Krankheitsphase nach tagelangen körperlichen Raubbau stand auch schon die nächste kleine Reise nach Frankreich mit meiner Truppe an. Die letzten Jahre verstreuten sich die meisten meine alten Schulfreunde quer durch die Welt, doch es haben sich Traditionen etabliert, die uns immer wieder alle zusammenbringen, egal wo wir stecken. Eine dieser Traditionen ist unsere jährliche Fahrt, die uns dieses mal wieder mit rund zwei Dutzend Menschen ins wunderschöne Burey-la-Côte führte. Flunkyball-Turnier und Wanderung durch die Landschaften und Dörfer von Grand-Est inklusive.

Juli – Jetsetting durch Europa
Im Juli reiste ich mit einer kleinen Crew nach Tallinn um einen derer aus unseren Reihen zu besuchen, der sich gerade auf seine zweijährige Weltreise begab. Das letzte Mal, dass sich die estnische Hauptstadt besuchte liegt nun schon einige Jahre zurück. Seitdem hat sich vieles verändert – der russische Markt, der einst aus Reihen von Wellblechverschlägen bestand und mit fragwürdigen Waren handelte wurde durch einen frischen hippen Markt mit Food Court und Händlern in restaurierten Industriehallen abgelöst. Das Hafenviertel wurde völlig neu gebaut inklusive Hipster-Bars mit schicken Terrassenstühlen und die alten sowjetischen Relikte wie die Linnahall wurden weiter Ihrem natürlichen Verfall überlassen. Es folgten schlaflose Nächte, zu viele denkwürdige Momente rund um Sonnenblumen und hunderte Runden Rasch-Casch. Ich ließ es mir natürlich auch nicht nehmen im örtlichen Fotografiemuseum vorbeizuschauen.




Zurück in Deutschland wollte ich dann, dass sich das 9€-Ticket und meine Bahn-Card möglichst gut ergänzen. Mit einem wahnwitzigen 1-Tagestrip an die längste Theke der Welt nach Düsseldorf, ständigen Pendeln zwischen Gießen und Saarbrücken, sowie einer Reise nach Freiburg lohnte sich das gelegentliche Investieren in einen ICE doch recht häufig.
In Freiburg durfte ich dieses Jahr den Dreisamcup fotografisch begleiten, bei dem sich Lacrosse-Mannschaften aus dem In- und Ausland versammeln. Sagen wir mal so – Lacrosse Tuniere sind etwas anders. Es wurde auf dem Sportplatz gecampt, es floss vielleicht auch mal ein Gerstensaft zwischen den Spielen und auch eine Afterparty in der Innenstadt gab es. Ich bekam es an diesem Wochenende bei 34 Grad gerade so hin dem Hitzschlag zu entgehen. Aber es war mir eine große Freude mit der Kamera zwischen den Spielfeldern umherzuspringen.

Am Ende des Monats standen noch Gartenpartys und ein Abstecher ins wunderschöne Aschaffenburg an – denn mit den Hochzeiten folgten auch wieder Junggesellenabschiede. Also ab auf eine Schifffahrt mit einem Floßboot über den Main, Brauereibesichtigung und Craftbeertasting in dieser wunderschönen Stadt. Vielleicht lerne ich auch irgendwann mal was es mit diesem Franken-Bayern Konflikt auf sich hat.
August – Fußball, Feste und Straßenmusik
In diesem Jahr entsprang ein ganz neuer Lokalpatriotismus in mir, als ich mich immer öfter im Saarbrücker Ludwigsparkstadion und sogar dem ein oder anderen Auswärtsspiel des FC Saarbrücken wiederfand. Fußball ist schon etwas nettes, wenn man ihm eine Chance gibt – vor allem live im Stadion. Und falls es mal doch nicht so läuft, ist die Chance hoch, dass es zumindest einen überfüllten Bierstand in der Nähe gibt.




Bierstände gab es in jedem Falle zu genüge bei unserem Hausfestival – dem Rocco del Schlacko. Drei Tage voller Musik und Menschen, die man seit sehr langer Zeit nicht mehr gesehen hat. Verschwitze Menschenmassen, überteuertes Ur-Pils aus Plastikbecher und laute Musik – was hatten wir das alle vermisst. Manchmal schien es, dass sich in den letzten Jahren so viel aufgestaut hatte und keiner erwarten konnte, endlich wieder all das rauszulassen und nachzuholen was so lange nicht möglich war.
Neben Festivals und Fotografie tat sich dieses Jahr auch einiges an meiner kleinen aber feinen musikalischen Karriere. Inspiriert von all den Künstlern um mich herum, saß ich recht oft mit Gitarre und Songbook in der Hand. Das Songwriting und spielen wurde quasi mein kreativer Ausgleich während sich meine Tätigkeit hinter der Kamera weiter professionalisierte. Das ganze endete dann sogar in einer Session mit Straßenmusik, bei der ich meinen guten alten Freund Simon Wyer an der Cajon begleiten durfte. Eine interessante Erfahrung, wenn man realisiert wie wenig Passanten sich mittlerweile für ihre Umgebung interessieren und die Welt gänzlich mit Smartphones und AirPods ausblenden. Umso erfreulicher die kleinen Begegnungen mit so vielen unterschiedlichen Menschen, die doch dreißig Sekunden Zeit fanden halt zu machen.


September – Von Freiburg nach Korsika über Griechenland
Wenn ein Monat dieses Jahr ganz im Zeichen der Reise stand, dann war es dieser. Ende August stieg ich in den Flieger und trat meine Rundreise von Thessaloniki nach Athen mit einem kleinen Abstecher über die Peloponnes an. In den letzten Jahren scheinen sich meine Reisziele eindeutig zu wiederholen -zuletzt war ich 2013 in Griechenland, einem Land das damals geschunden war von einer Finanzkrise, Jugendarbeitslosigkeit und allgemeiner Unzufriedenheit. Bei meiner letzten Begegnung mit Athen versuchte ich mich vergeblich mit der Hilfe junger Griechen in eine der besetzten Universitäten zu schleusen. Meine Rundreise in diesem Jahr stand ganz in Zeichen der Kunst und Kultur – und wir wissen ja Ouzo ist eben auch ein Kulturgut.





Nahtlos an meinen Griechenlandaufenthalt schloss sich eine Reise des besonderen Art von Freiburg nach Korsika an. Sechs Verrückte traten die Reise mit dem Rennrad an, ich und ein weiterer eher weniger Verrückter nahmen die Rolle des Begleitfahrzeuges in Form eines Autos an. Da der Startschuss ein Tag vor Ende meiner Griechenlandreise fiel, beschloss ich direkt vom Frankfurter Flughafen in die Schweiz nachzukommen. Dabei beging ich einen entscheidenden Fehler: ich verließ mich auf die Bahn. Zum Glück war ich mittlerweile erprobt im Leiden auf Schienen und wurde mal wieder nicht enttäuscht. Kurz vor Offenburg erwartete mich eine Streckensperrung auf unbestimmte Zeit.





Glücklicherweise gab es ja da Bordbistro und glücklicherweise gab es mittlerweile auch wieder Junggesellenabschiede. Vor einer überfüllten Bar mit ausdünsteten und gezeichneten Männern, die gerade einen ihrer Jungs in den Bund der Ehe entließen, schloss ich mich den Weizenbierrunden an. Bei der zweiten Stunde des Stillstandes vor Offenburg kochten die Emotionen vor dem Bordbistro hoch und als langsam aber sicher alles ausverkauft war entschied ich mich auf eine diplomatische Mission zu gehen. Mit einer Flasche Ouzo frisch aus Griechenland positionierte ich mich neben der Bar und orderte Pappbecher. So konnte ich erfolgreiche einige hitzige Gemüter besänftigen, die das völlig erschöpfte Bistropersonal verteufelten. Aufgrund einer dann dreistündigen Verspätung endete der Zug dann statt in Bern bereits ins Basel. Doch die Schweizer Bahn halt was sie versprach und nach einigen Umstiegen kam ich gerade noch so mit dem letzten Zug in Saxon bei den anderen an.
Wieder vereint durfte ich dann mit einer unglaublich tollen Gruppe unvergessliche Tage Erleben. Über die Schweizer Alpen, durch italienische Kleine Dörfer hinein in die korsische Berglandschaft nach der Fährüberfahrt von Savona nach Bastia. Auf der Insel quälte ich mich mal wieder durch einen Trailrun bei 34 Grad im Schatten, eine waghalsige Bergtour auf den Paglia Orba und unangenehme Sandstrände, die mich nicht davon abhielten Beachvolleyball zu spielen.





Oktober – Runner’s High, Ausstellungen und der BVB
Am ersten Sonntag des Monats war es dann schließlich soweit: Wettkampftag beim Saarbrücker Westspangenlauf. Bei wunderschönen Dauerregen kämpfte ich mich über die Halbmarathondistanz in 1:47:51 auf den 34. Platz in der Gesamtwertung. Ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass ich es in solch einer Zeit schaffe, angepeiltes Ziel war die Zweistundenmarke. Doch beflügelt von korsischen Höhentraining und einem Zielsprint mit letzter Kraft hab ich meinen nächsten sportlichen Meilenstein erreicht. Hinter der Zielinie trank ich aus Versehen sogar in all meiner Erschöpfung einen Becher Cola. Und eigentlich hasse ich Cola.



Ein eher passivsportlicher Traum ging dann kurze Zeit später in Erfüllung, als ich mit ein paar Freunden nach Dortmund düste um endlich auch mal ins Westfalenstadion zu kommen. Und die Schwarz-Gelben enttäuschten nicht, als sie den VfB Stuttgart mit 5:0 besiegten. Ich war ehrlich gesagt überrascht, die ganze Stadt schien sich nur um den Verein zu drehen. Fußball im Pott ist eben noch einmal eine ganz andere Hausnummer.
Beeindruckende Fotografien durfte ich im Oktober dann bei der Vernissage von Jamal Ageli in Leitz-Park in Wetzlar betrachten. Außerdem standen noch ein Location-Scouting über den Hügeln Marburgs und mein alljährliches Fashionshooting auf dem Plan.


November – München, Lost Places und Weihnachtsmärkte
Es ging mal wieder in eine deutsche Großstadt – dieses Mal nach München. Bis jetzt war die Metropole Bayerns nur ein Zwischenstopp auf meinen Reisen, mehr als ein kleiner Abstecher in den Olympiapark oder ein kurzer Besuch an Schloss Nymphenburg war bislang nicht drin. Dieses Mal sollte es anders sein, denn die Karten für das Spiel zwischen 1860 München und dem 1. FCS im Städtischen Stadion an der Grünewalderstraße waren bereits geordert. Überwältigt von der schieren Brauhausdichte und deren Angebot musste ich mich an diesem Wochenende jedoch mit letzter Kraft gerade so über den Marienplatz schleppen. Aber der Ausflug hatte sich gelohnt – wieder einige Orte (z.B. den berüchtigten Jodlerwirt) mehr, den ich in München besuchen konnte. Und auch der FCS hatte gewonnen.



Nach so viel Städtetrip hat es mich mal wieder in meinen Fingern gejuckt und ich habe mein Hausmodel wieder für ein paar Aufnahmen an einem Saarbrücker Lost Place rekrutiert. Der Arme wurde wieder mit Dornenzweigen gequält, Laub überschüttet und mit Wasser beworfen – alles für die Kunst.
Ende November beginnt die Zeit der Weihnachtsmärkte. Eine sehr gefährliche Zeit, vor allem wenn ich mich in Gießen aufhalte, wo der nächste Stand direkt vor der Haustür lauert. Nicht minder gefährlich ist es jedoch in meiner saarländischen Heimat, wo Freunde von mir den „Grünen Kobold“ auf einem örtlichen Weihnachtsmarkt einmal pro Jahr eröffnen. Dieses Jahr konnten Sie so rund 1050€ an Spenden an nur anderthalb Tagen durch motivierte Glüh-Gin und Ur-Pils Käufer generieren. Das Geld ging für Kinder in Not im Rahmen der Aktion Sternenregen – selten hat Spendensammeln so symbiotisch funktioniert.

Dezember – Spontantrip nach Porto und Essensexzesse
Das Jahr neigte sich langsam aber sich dem Ende und für mich ergab sich recht spontan die Möglichkeit mich ein paar Freunden auf einer Reise nach Porto anzuschließen. Wenn ich eines dieses Jahr gelernt habe, dann dass man bei solchen Gelegenheiten besser nicht lange zögert und einfach Flugtickets bucht. Das hatte in diesem Dezember vor allem den Vorteil einer eisigen Winterwoche zu entkommen um bei milden 18 Grad aus dem Flieger in Portugal zu steigen. Leider begleitete mich seit November eine latente Erkältung, die immer mal wieder aufflammte. So lag ich dann leider auch zwei Tage in einem bequemen Bett im Porto. Ich meine ich bin auch lieber am Meer krank, als im eingeschneiten Deutschland. Glücklicherweise konnte ich mich jedoch ab und an dennoch aufraffen und ein wenig diese wunderschöne Stadt am Atlantik erkunden. Wir fanden sogar eine Bar, in der es Bier für 75 Cent (!) gab. Die Portugiesen haben einfach ein besseres Verhältnis zum Leben. Bis ich unwissentlich Tripas gegessen haben – das sollte man besser nicht googlen, nachdem man es in sich geschaufelt hat.
Das Jahr wurde abgerundet mit vorweihnachtlichen und postweihnachtlichen Essensexzessen, einem halben Dutzend Weihnachtsfeiern, Hallenturnieren mit Tombolas und einer Hochzeit, die ich fotografieren durfte. Zwischen den Jahren durfte ich wieder viele Freunde sehen, alte Traditionen wieder aufleben lassen und schließlich wieder den letzten Tag des Jahres wieder im größeren Kreis mit meinen Freunden verbringen.




Fazit und Ausblick
Man merkt vielleicht, dass in meinen Ausführungen das Wort „Universität“ und „Hochschule“ recht selten vorkam. Es galt einfach zu viel zu tun – Arbeit, eine eigene Firma, endlich wieder die Möglichkeit soziale Kontakte zu pflegen und zu reisen haben das Jahr schon ziemlich stark ausgefüllt. Man sollte sich auch immer wieder bewusst machen, dass all die Eindrücke und Erfahrungen, die ich dieses Jahr sammeln durfte, all die Projekte und Bilder, die ich erschaffen durfte eine Masterarbeit eher zu einer Formalie verkommen lassen. Dennoch wird es Zeit die akademische Laufbahn dieses Jahr zu Ende zu bringen. Der Fokus wird sich also im kommenden Jahr wieder mehr auf den Abschluss verlagern.
Dennoch habe ich mir mal wieder (wahrscheinlich viel zu viele) Dinge in diesem kommenden Jahr vorgenommen, die mich fordern sollen. Als ich 2019 beschloss jeden Tag ein Foto zu schießen und so meine 365 Tage bebildern und mit Text versehen konnte, wurde ich mit vielen verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Aber es sind genau diese Herausforderungen, die ich immer wieder brauche um neue Ziele und Wege zu erreichen. Daher will ich diesem Jahr jede Woche eine Filmsequenz drehen oder zusammenschneiden und veröffentlichen – zu ganz unterschiedlichen Themen und Ideen die mich über das Jahr hin beschäftigen. Nennen wir das Projekt doch einfach mal ganz im zeitgenössischen Geist „52 Shorts“.

Ein weiteres Projekt, das am Horizont schimmert, ist ein Podcast, der nahezu in den Startlöchern steht. Das Thema verrate ich mal noch nicht, aber auch hier werden interessante Themen und Gäste auf euch warten. Und dann wäre da noch ein wenig Bewegung in Sachen Text – eines sei jetzt schon sicher: ihr werdet in diesem Jahr einige Beiträge von mir lesen können. Und um das Ganze zu schaffen habe ich mich auch mal entschlossen eine alkoholfreie Phase einzulegen, die neben meiner Produktivität sicherlich auch meine sportlichen Ziele fördert.
Nun, alleine schon durch das Verfassen der letzten beiden Absätze bange ich schon wieder um meine arme Masterarbeit. Aber ich möchte mich an dieser Stelle noch mal ganz herzlich bedanken für ein unvergessliches 2022. Für ein Jahr voller Höhen und einiger Tiefen, das aber immer ausgefüllt war von alten Freunden, die mich schon über Jahrzehnte bei jedem Schwachsinn begleiten und meine wahnwitzigen Ideen mittragen. Ein Jahr das geprägt war vom Zusammenkünften mit dem ein oder anderen Menschen, den man im Laufe der letzten Jahre aus den Augen verloren hatte. Und von vielen neuen Begegnungen mit Menschen, die man hoffentlich nicht aus den Augen verliert.
Mittlerweile habe ich über meine Lebensjahre ein Grundvertrauen aufgebaut. Trotz aller Rückschläge, trotz allem Elenden und trotz aller Enttäuschen, die 2023 wahrscheinlich auch bereit halten wird. Ich bin mir sicher, es wird ein gutes Jahr – denn ich weiß, ich habe eine ganze Reihe von Menschen an meiner Seite mit denen ich es bestreiten und erleben darf.