Die tragische Figur des Martin Schulz

Müsste Sophokles in der heutigen Zeit eine Tragödie schreiben, so fände er in Martin Schulz seine gescheiterte Hauptfigur. Als er letztes Jahr im Januar mit einem brennenden Kanzlerkandidatenherz das Europaparlament verließ, hätte er sich wohl nicht zu träumen gewagt, dass er heute vor einem sozialdemokratischen Scherbenhaufen steht. So groß war die Welle der Euphorie, als er seine Kanzlerkandidatur verkündete – der „Schulzzug“ war schnell ins Leben gerufen und der „Schulzeffekt“ wurde zum medialen Terminus für den Aufschwung, den die SPD noch vor einem Jahr in den Umfragen genoss.

Die von den Medien bereitete Hybris der sich Schulz dann auch dankbar bediente konnte natürlich nicht von Dauer sein. Es folgte die Landtagswahl im Saarland – ein Schlag ins Gesicht für die eigentlich so euphorischen Genossen. Dabei hatte Schulz gerade im Wahlkampf für das kleinste Bundesland Deutschlands seine  Verbindungen zu entfernten Saar-Verwandschaften entdeckt. Doch es half nichts, die Überschriften in den Tageszeitungen waren schon getippt, die Fragen der unangenehmen Interviews schon geschrieben. Der Schulzzug sei entgleist, der Schulzeffekt verpufft. Die mediale Demontage des Genossen Martin begann und fand ihren Nährboden in der Reihe der weiteren Wahlniederlagen.

Doch Martin Schulz ließ sich nicht unterkriegen, führte weiterhin schnurstracks seinen Wahlkampf durch Deutschland und warb für seine Person als Kanzlerkandidaten mit dem Kampfbegriff der sozialen Gerechtigkeit. Noch bestand Hoffnung doch die starb dann mit trauriger Gewissheit bei der Bundestagswahl, als die Sozialdemokraten Mühe hatten, die zwei an vorderster Stelle ihres Ergebnisses zu sichern. Mit impulsiven Trotz verkündete Schulz dass die SPD in keinem Falle für eine Koalition mit der CDU zu Verfügung steht – geschweige denn in das Kabinett unter Merkel eintrete.

Nach dem Schock über den Niedergang der Sozialdemokratie – der Katastrophe dieser Tragödie – kam dann doch zunächst die Erleichterung, dass die Große Koalition wohl keine Neuauflage erfahren würde. Viel deutlicher hätte man sie ja kaum noch abwählen können. Doch nach den gescheiterten Jamaika-Sondierungen sah die Welt anders aus: die GroKo wurde plötzlich zur Deus Ex Machina, die den gescheiterten Kanzlerkandidaten noch aus der Versenkung retten sollte. Von staatspolitischer Verantwortung war die Rede, die sich aber immer mehr nach einer Mehrheitsbeschaffung für überholte Regierungen anfühlt.

Die Vergangenheit und der Wortbruch holte Genosse Martin ein, das Zerwürfnis ist groß und die SPD brennt lichterloh. Ob sein Rückzug aus dem Vorstand und der künftigen Bundespolitik nun eher Wasser oder Öl ins Feuer ist, das muss sich zeigen. Eines steht fest – die Kanzlerkandidatur schaffte es Schulz binnen einen eines tragischen Jahres von der politischen Bühne verschwinden zu lassen. Hoffentlich lädt ihn wenigstens Peer Steinbrück zum Essen ein.

Titelbild CC-BY-SA 4.0 Ziko van Dijk

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